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In letzter Zeit wird in der katholischen Öffentlichkeit vermehrt diskutiert, warum es bislang keinen afroamerikanischen Heiligen gibt. Der genannte Artikel auf katholisch.de fordert: Es sei an der Zeit, endlich einen afroamerikanischen Christen heiligzusprechen. Diese Forderung berührt nicht nur Fragen von Repräsentation und kultureller Anerkennung, sondern führt uns auch direkt zu einer viel tiefer gehenden Frage: Wer entscheidet eigentlich, wer „heilig“ ist? Und worauf gründet sich diese Autorität?
Die katholische Kirche beantwortet diese Frage mit einem komplexen Heiligsprechungsverfahren. Die Bibel hingegen legt einen anderen Maßstab an – einen, der nicht auf menschliche Einschätzung oder bürokratische Verfahren angewiesen ist, sondern direkt von der Wirksamkeit Jesu Christi abhängt. In diesem Beitrag möchte ich diesen fundamentalen Gegensatz beleuchten und aufzeigen, warum das katholische Heiligsprechungssystem eine bedenkliche Verschiebung der göttlichen Souveränität darstellt.
Was sagt die Bibel über Heiligkeit?
In der Schrift bezeichnet „heilig“ (griechisch: hagios) nicht einen moralischen Übermenschen, sondern jemanden, der von Gott ausgesondert, gereinigt und zu einem bestimmten Zweck bestimmt wurde. Heiligkeit ist in der Bibel kein Statussymbol, sondern eine Folge der Beziehung zu Gott durch Christus.
„Denn mit einem einzigen Opfer hat er die für immer vollendet, welche geheiligt werden.“ (Hebr 10,14)
„Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe.“ (Joh 15,3)
„daß ihr in allem reich gemacht worden seid in ihm, in allem Wort und in aller Erkenntnis, wie denn das Zeugnis von Christus in euch gefestigt worden ist, so daß ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gnadengabe, während ihr die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus erwartet,“ (1. Kor 1,5-7)
Schon Paulus nennt die Gläubigen in seinen Briefen durchweg „Heilige“ – nicht weil sie einwandfrei gelebt hätten, sondern weil sie zu Christus gehören:
„an die Gemeinde Gottes, die in Korinth ist, an die Geheiligten in Christus Jesus, an die berufenen Heiligen, samt allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen an jedem Ort, sowohl bei ihnen als auch bei uns:“ (1. Kor 1,2)
Hier wird klar: Heiligkeit ist keine Auszeichnung für außerordentliche Frömmigkeit. Sie ist der unmittelbare Effekt der Reinigung durch Jesus Christus. Die Bibel macht keinen Unterschied zwischen „normalen Gläubigen“ und „Heiligen“ – diese Trennung ist eine spätere kirchliche Konstruktion.
Der katholische Weg zur „Heiligkeit“
Demgegenüber sieht die römisch-katholische Kirche Heiligkeit als Endpunkt eines langen, institutionell kontrollierten Prozesses. Ein Verstorbener kann heiliggesprochen werden, wenn:
- Er ein nachweislich vorbildliches Leben geführt hat („heroischer Tugendgrad“).
- Mindestens ein Wunder auf seine Fürsprache hin geschieht (für die Seligsprechung).
- Ein weiteres Wunder bestätigt wird (für die Heiligsprechung).
Das Verfahren kann Jahrzehnte oder Jahrhunderte dauern, ist extrem kostenintensiv und wird zentral von der Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse im Vatikan gesteuert.
Und wer entscheidet letztlich? Der Papst. Er spricht das Urteil. Die Kirche „erkennt“ an, dass jemand bei Gott ist – ein Anspruch, der faktisch gleichbedeutend mit einer göttlichen Autorität ist.
Der Problemkern: Anmaßung geistlicher Autorität
Hier liegt das eigentliche Problem. Die katholische Kirche beansprucht damit eine Funktion, die allein Gott bzw. Christus zusteht: zu erkennen, wer durch den Geist Christi erlöst und geheiligt wurde. Dabei ist es die klare Lehre des Neuen Testaments, dass diese Entscheidung weder in einem Gremium noch durch Wunderbeweise getroffen wird, sondern im Moment der Wiedergeburt und Rechtfertigung durch den Glauben geschieht.
Die Idee, dass ein Mensch (selbst ein Papst) autoritativ festlegen kann, wer „heilig“ ist, ist eine direkte Umgehung des biblischen Prinzips der Gnade. Es ist eine Rückkehr zu einer Werkgerechtigkeit, die mit der Lehre des Paulus nicht vereinbar ist:
„Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.“ (Eph 2,8-9)
Wer Heilige „ermittelt“ durch ein kirchliches Verfahren, das auf Tugendleistung und wundersame Wirkungen basiert, hat den biblischen Kern von Heiligkeit nicht verstanden – oder will ihn systematisch unterwandern.
Symbolische Ungerechtigkeit vs. Evangelium für alle
Natürlich ist es kulturell gesehen nachvollziehbar, dass Stimmen laut werden, die eine afroamerikanische Repräsentanz unter den Heiligen fordern. Das Anliegen ist berechtigt – aber nur, wenn man das Heiligsprechungssystem als gegeben voraussetzt.
Doch genau das ist der Punkt: Dieses System ist selbst das Problem. Es erschafft eine Zwei-Klassen-Kirche – die der „besonders Gerechten“ und die der „gewöhnlich Erlösten“. Es ignoriert, dass Heiligkeit im Neuen Bund keine Hierarchie ist, sondern ein gemeinsamer geistlicher Zustand.
„denn alle haben gesündigt und verfehlen die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten, so daß sie ohne Verdienst gerechtfertigt werden durch seine Gnade aufgrund der Erlösung, die in Christus Jesus ist.“ (Röm 3,23-24)
Würde man sich an die biblische Definition halten, gäbe es längst nicht nur einen afroamerikanischen Heiligen – sondern Millionen, die Jesus gehören, Buße getan haben und durch seinen Geist erneuert wurden. Ohne Wartezeit. Ohne Bürokratie. Ohne päpstliche Zustimmung.
Fazit: Christus spricht heilig – nicht Rom
Die katholische Kirche mag gute Absichten verfolgen, wenn sie Heilige kanonisiert. Aber der gesamte Mechanismus basiert auf einem Missverständnis geistlicher Autorität. Die Bibel ist eindeutig: Heiligkeit wird nicht verliehen, sondern empfangen. Sie ist keine Auszeichnung, sondern eine Folge der Gnade. Sie ist nicht exklusiv, sondern integrativ.
Wenn wir also über „fehlende Heilige“ diskutieren, sollten wir die viel wichtigere Frage stellen: Warum maßt sich eine Kirche an, die Tore der Heiligkeit zu kontrollieren, die Gott längst geöffnet hat?
Denn am Ende gilt:
„Wer den Sohn hat, der hat das Leben;“ (1. Joh 5,12)
Und wer das Leben hat, der ist – heilig.
In Christus, allein durch ihn. Nicht durch Urkunden, Verfahren oder Wunderakten.